BURG JÖRGENBERG (MUNT SOGN GIERI)
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Allgemeine Informationen
Ruine der grössten Burganlage des Bündner Oberlandes auf exponiertem Felsvorsprung östlich von Waltensburg/Vuorz. Sichtbar sind noch der Hauptturm, die Schildmauer, der Campanile mit der Ruine der Burgkirche sowie Reste von Wohnbauten und Toranlagen. Unweit südwestlich der Burg finden sich auf einem Hügel zudem die Sockel des Galgens von Jörgenberg. Das bereits im 8. und 9. Jhdt. erwähnte Kirchenkastell wurde im 13. Jhdt. wahrscheinlich durch die Herren von Sagogn in eine Feudalburg umgewandelt. Später wurde die Herrschaft zum Zankapfel zwischen Österreich, dem Haus Vaz, den Grafen von Werdenberg und den Freiherren von Rhäzüns. Letztere setzten sich 1343 durch, mussten die in der Fehde zerstörte Burg aber neu aufbauen. Später gehörte Jörgenberg den Grafen von Zollern, dem Kloster Disentis und lokalen Familien, bevor es im 17. Jhdt. aufgegeben wurde.
Informationen für Besucher
Geografische Lage (GPS)
WGS84: 46° 46’ 49.36“ N, 09° 08’ 16.85“ E
Höhe: 947 m ü. M
Topografische Karte/n
Schweizer Landeskarte: 729.770 / 182.430
Kontaktdaten
k.A.
Warnhinweise / Besondere Hinweise zur Besichtigung
keine
Anfahrt mit dem PKW
Ab Ilanz der Hauptstrasse 19 das Vorderrheintal aufwärts folgen und kurz nach Rueun bergseits den Abzweiger nach Waltensburg/Vuorz nehmen. In der zweiten Strassenkehre parkieren und dem markierten Wanderweg in nordöstlicher Richtung bergauf bis zur Burg folgen (ca. 10 Min.).
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Regelmässige Bahnverbindung von Chur nach Ilanz. Nun weiter mit dem Postauto (Linie 424 in Richtung Andiast) bis zur Haltestelle Waltensburg/Vuorz, Munt Sogn Gieri. Ab hier führt ein schöner, rund 1 km langer Weg in östlicher Richtung zur Burg (unterwegs südseitigen Abzweiger zum Galgen beachten!).
Wanderung zur Burg
k.A.
Öffnungszeiten
ohne Einschränkung
Eintrittspreise
kostenlos
Einschränkungen beim Fotografieren und Filmen
ohne Beschränkung
Gastronomie auf der Burg
keine
Öffentlicher Rastplatz
Picknickplatz auf dem Burgareal
Übernachtungsmöglichkeit auf der Burg
keine
Zusatzinformation für Familien mit Kindern
keine
Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer
eingeschränkt möglich
Bilder
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Grundriss
Grundriss Jörgenberg
Quelle: auf Basis der Infotafel auf der Burg weitgehend neu gezeichnet von O. Steimann, 2019
Historie
Bronzezeitlicher Siedlungsplatz:
Jörgenberg (rätoromanisch «Munt Sogn Gieri») liegt auf einem exponierten Felssporn zwischen dem Vorderrhein und der Schmuèr. Von dieser Stelle lässt sich sowohl der Zugang zur oberen Surselva als auch jener zum Panixerpass überwachen. Bereits in der frühen Bronzezeit (ab ca. 2000 v. Chr.) war der Platz besiedelt, wie über 600 auf dem Areal gefundene Keramikfragmente belegen. Um 1100 v. Chr. wurde er aus unbekannten Gründen wieder verlassen.

Kirchenkastell (8. bis 12. Jhdt.):
Bereits im Jahr 765 wird Jörgenberg als «castellum» im Testament des Churer Bischofs Tello erwähnt, als einzige Wehranlage neben dem damals noch bedeutenderen «castrum» Sagogn. Tello, der der mächtigen Dynastie der Victoriden entstammte, schenkte einen Acker oberhalb der Burg dem Kloster Disentis. Wie Jörgenberg im 8. Jhdt. ausgesehen hat, ist nicht klar. Die Vermutung liegt nahe, dass es als Kirchenkastell gegründet wurde, wie viele vergleichbare Anlagen in Graubünden. Im rätischen Reichsurbar aus der Zeit um 840 wird denn auch die «ecclesia sancti Georgii in Castello» ausdrücklich erwähnt, also eine dem heiligen Georg geweihte Kirche in der Burg. Zu ihr gehörte ein Hof mit umfangreichen Ländereien.

Nach diesen sehr frühen Belegen verschwindet Jörgenberg für lange Zeit aus den schriftlichen Quellen. Wie eine dendrochronologische Untersuchung gezeigt hat, wurde der heute noch bestehende Kirchturm (Campanile) im Jahr 1071 erbaut. Das rund 15 Meter hohe, fünfgeschossige Bauwerk ist der älteste erhaltene Teil der Burg. Seine Fassadengliederung zeigt, dass man ihn an eine bereits bestehende Kirche anbaute, die später aber abgebrochen wurde. Der heute noch als Ruine vorhandene Sakralbau entstand hingegen frühestens im 12. Jhdt. Ebenfalls aus dem Hochmittelalter stammt eine Trockenmauer, die das Gelände unmittelbar westlich der Kirche umfasste, das als Friedhof genutzt wurde.

Umbau zur Feudalburg (13. Jhdt.):
1208 wird die Wehranlage als «Waltramsburc» bezeichnet und 1211 ein Leutpriester von «Waltramisburc» erwähnt. Die Forschung geht davon aus, dass damals ein Burgvogt namens Waltram der Burg seinen Namen gegeben hatte. Zu jener Zeit begann wohl auch ihre Umgestaltung in eine Feudalburg. Im Gegenzug wechselte der Pfarreisitz ins 1,5 km weiter westlich gelegene Dorf Vuorz, auf das der damalige Burgname (heute: Waltensburg) übertragen wurde. Auf Jörgenberg hingegen wurde bald darauf ein grosser, fünfstöckiger Wohnturm erreichtet. Die dendrochronologische Datierung einiger Gerüsthölzer ergab als Baujahr 1265. Der heute noch gut erhaltene Turm misst im Grundriss 9,5 x 9,5 Meter und verfügt über bis zu 2,5 Meter starke Mauern. Der Hocheingang befindet sich auf der Südseite im dritten Stockwerk.
Kurz darauf wurde in einer weiteren Bauphase ein erster Bering angelegt, der die Süd- und Westseite des Areals schützte. In diese Befestigung wurden sowohl die Kirche als auch der Wohnturm integriert. Auf der Westseite bestand dieser Bering aus einer Schildmauer, die sich nach Norden um eine Ecke bis an den Rand des Abgrunds zog. Hier befand sich ein kleines Fluchttor. Wahrscheinlich ebenfalls zu jener Zeit entstand die 5,5 Meter tiefe Tankzisterne im Burghof.

Wer diese grosse Umgestaltung von Jörgenberg veranlasste, ist nicht belegt. Es spricht jedoch alles für die Herren von Sagogn, die zu jener Zeit ihre Herrschaft in der Surselva stetig ausbauten. Im frühen 14. Jhdt. befand sich Jörgenberg nämlich im Besitz der Familie von Friberg, einer Seitenlinie der Sagogner. Der 1330 verstorbene Rainger von Friberg hatte Jörgenberg zusammen mit seiner Stammburg Friberg wenige Jahre zuvor dem Herzog von Österreich übertragen und von diesem als Lehen zurückbekommen.

Zerstörung und Erweiterung (14. Jhdt.):
Mit Rainger starb der letzte männliche Friberger – es begann ein langer Erbstreit. Die mächtigen Freiherren von Vaz waren bereit, ihre Ansprüche auch mit Gewalt durchzusetzen. Dafür verbündeten sie sich zunächst mit den Rhäzünsern und versprachen diesen die Burgen Friberg und Jörgenberg, falls sie gewonnen würden. Tatsächlich eroberten sie kurzerhand beide Anlagen, doch starb um 1337 der letzte männliche Vazer. Österreich, wohl vor vollendete Tatsachen gestellt, belehnte um 1341/42 die Erbtochter Ursula von Vaz auf Lebenszeit mit beiden Herrschaften – Profiteur war Ursulas Ehemann, Graf Rudolf von Werdenberg. Das liessen nun aber die Freiherren von Rhäzüns nicht auf sich sitzen und befehdeten die neuen Burgherren. 1343 kam es schliesslich zu einer Einigung: Das Haus Rhäzüns erhielt Friberg und Jörgenberg, musste die Werdenberger aber mit 1000 Mark entschädigen.
Im Laufe dieser kriegerischen Auseinandersetzungen muss Jörgenberg mindestens einmal gewaltsam erobert worden sein. Dabei wurde die westseitige Schildmauer zerstört, während der Wohnturm komplett ausbrannte. An seinen Innenwänden zeugen abgeplatzte Steinoberflächen von der grossen Hitze, die sich dabei entwickelte.

Die Rhäzünser bauten Jörgenberg in veränderter Form wieder auf. Rund 2 Meter zurückversetzt entstand auf der Westseite eine neue, noch massivere Schildmauer, die auf das Jahr 1351 datiert werden konnte. Der Turm wurde fortan nicht mehr bewohnt, dafür entstand in der Nordwestecke ein geräumiger Palas mit mindestens drei Nebengebäuden. Ausserdem wurde der Zugang zur Burg neu organisiert, mit einem Zwinger südlich der Kirche. Auch die weitläufige, ummauerte Gartenanlage (Vorburg) geht auf jene Phase zurück.
1378 kauften die Herren von Rhäzüns noch die benachbarte Herrschaft Grünenfels hinzu und vereinigten die beiden Gebiete zur neuen Herrschaft Jörgenberg. 1430 erhielten sie von König Sigismund die Bestätigung des Bannrechts für «sandt Jörgenberg». Da die Burg nun Zentrum einer ansehnlichen Herrschaft war, wurde sie zum Sitz eines Kastellans mit weitreichenden Amtsbefugnissen.

Letzte Bautätigkeiten und Auflassung (15. bis 17. Jhdt.):
Um die Mitte des 15. Jhdts. kam es zu einem Erbstreit im Haus Rhäzüns, an dessen Ende die Herrschaft Jörgenberg 1458 in den Besitz des Grafen Jos Niclaus von Zollern kam. In jenem Jahr fanden auf der Ostseite des Wohnturms wieder Bauarbeiten statt, wie durch die Datierung von Balkenresten nachgewiesen werden konnte.
1472 verkaufte der Graf von Zollern Burg und Herrrschaft dem Kloster Disentis. Jörgenberg behielt aber weiterhin seine Funktion als weltliches Zentrum der oberen Surselva. Hier wurden Gefangene eingekerkert und auf dem 500 Meter weiter südwestlich gelegenen Galgenhügel gefoltert und hingerichtet.

1539 verkaufte der Disentiser Abt Jörgenberg an Mathias von Rungs, der sich verpflichten musste, für den Unterhalt der Burgkirche zu sorgen. Ab 1580 war die Familie Gandreya im Besitz der Anlage und scheint sie auch noch bewohnt zu haben. Spätestens im 17. Jhdt. setzte aber der Zerfall ein. Als sich 1734 die Dörfer der Umgebung von der Klosterherrschaft loskauften, hatte die Burg ihre Bedeutung längst eingebüsst.

Erforschung im 20. und 21. Jhdt.:
Trotz der beeindruckenden Ruinen wurde Jörgenberg lange Zeit sich selbst überlassen. Erst 1930/31 wurde die Anlage ausgegraben, wobei man sich hauptsächlich für die Mauerreste interessierte. Diese wurden freigelegt, saniert und teilweise recht grosszügig ergänzt. 1935, 1947 und 1954 stiess man bei Grabungen im südöstlichen Vorgelände auf die fundreichen Siedlungsschichten aus der Bronzezeit. Die Burg selbst wurde schliesslich von 1997 bis 2001 neu gesichert, vermessen und bauhistorisch untersucht.
Quellen: Zusammenfassung der unter Literatur angegebenen Dokumente, inkl. Infotafel auf der Burg
Literatur
  • Bitterli, Thomas - Schweizer Burgenführer, mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein | Basel/Berlin, 1995 | Nr. 373
  • Boxler, Heinrich - Die Burgnamengebung in der Nordostschweiz und in Graubünden [Studia Onomastica Helvetica, Bd. 2] | 2. Aufl. | Arbon, 1991 | S. 69
  • Buholzer, Columban - Ehemalige Burgen und Schlösser im Vorderrheintal | In: Bündnerisches Monatsblatt, 1927/Heft 7 | Chur, 1927 | S. 219-222
  • Bundi, Martin et al. - Die Burgruinen Jörgenberg und Kropfenstein in Waltensburg [Schweizerische Kunstführer GSK, Nr. 749] | Bern, 2004
  • Carigiet, Augustin - Waltenburg, Burgruine Jörgenberg: Eine Nachuntersuchung zur Baugeschichte | In: Archäologischer Dienst Graubünden / Denkmalpflege Graubünden (Hg.) - Jahresberichte 1997 | Haldenstein/Chur, 1998 | S. 110-119
  • Carigiet, Augustin - Zu den Burgen Friberg (Siat) und Jörgenberg (Waltensburg) | In: Archäologischer Dienst Graubünden / Denkmalpflege Graubünden (Hg.) - Jahresberichte 2000 | Haldenstein/Chur, 2001 | S. 150-162
  • Clavadetscher, Otto P. / Meyer, Werner - Das Burgenbuch von Graubünden | Zürich/Schwäbisch Hall, 1984 | S. 107-111
  • Farnum, Jerome H. - 20 Ausflüge zu romantischen Burgruinen in der Schweiz | Bern/Stuttgart, 1976 | S. 188-191
  • Hauswirth, Fritz - Burgen und Schlösser der Schweiz, Bd. 8: Graubünden 1 (Nordbünden) | 2. überarb. und erg. Aufl. | Kreuzlingen, 1981 | S. 68-72
  • Meyer, Werner (Red.) - Burgen der Schweiz, Bd. 3: Kanton Graubünden (deutschsprachiger und romanischer Teil) | Zürich, 1983 | S. 43-53
  • Meyer, Werner / Widmer, Eduard - Das grosse Burgenbuch der Schweiz | Zürich, 1977 | S. 44-46
  • Poeschel, Erwin - Das Burgenbuch von Graubünden | Zürich/Leipzig, 1930 | S. 232-235
  • Poeschel, Erwin - Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. IV: Die Täler am Vorderrhein, I. Teil: Das Gebiet von Tamins bis Somvix | Basel, 1942 | S. 338-341
  • Seifert, Mathias - Die Kontrolle von Dendrodaten durch C14-Intervall-Messungen in Waltenburg und Triesenberg | In: Archäologischer Dienst Graubünden / Denkmalpflege Graubünden (Hg.) - Jahresberichte 2000 | Haldenstein/Chur, 2001 | S. 103-108
  • Von Castelmur, Anton - Die Burgen und Schlösser Graubündens, II. Teil: Bündner Oberland und Seitentäler | Basel, 1944 | S. 38-44
Webseiten mit weiterführenden Informationen
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