BURG RAMOSCH (TSCHANÜFF)
 Weltweit | Europa | Schweiz | Kanton Graubünden | Region Engiadina Bassa/Val Müstair | Valsot

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Allgemeine Informationen
Die eindrücklichste Burgruine des Engadins liegt westlich von Ramosch (Gemeinde Valsot), auf einem Vorsprung über der Brancla-Schlucht. Gegründet wurde sie in karolingischer oder ottonischer Zeit, einer der ältesten Mauerzüge konnte auf das Jahr 957 datiert werden. Spätestens ab dem 12. Jhdt. war die Burg Wohnsitz der Herren von Ramosch. Vom späten 14. bis ins 18. Jhdt. gehörte sie dem Bischof von Chur wurde aber oft angegriffen, zerstört und in veränderter Form wieder aufgebaut, bevor sie um 1780 endgültig aufgegeben wurde.
Informationen für Besucher
Geografische Lage (GPS)
WGS84: 46° 49’ 58.80“ N, 10° 22' 32.11“ E
Höhe: 1247 m ü. M
Topografische Karte/n
Schweizer Landeskarte: 824.020 / 191.070
Kontaktdaten
Fundaziun Tschanüff c/o Georg Luzzi | Fallun 2A | CH-7556 Ramosch
E-Mail: info@tschanueff.org
Warnhinweise / Besondere Hinweise zur Besichtigung
keine
Anfahrt mit dem PKW
Auf der Hauptstrasse 27 das Engadin abwärts fahren bis nach Ramosch. Dem Abzweiger hinauf ins Dorf rund 200 Meter folgen (Parkmöglichkeit am Strassenrand). Nun auf dem ausgeschilderten Weg in westlicher Richtung zur Burgruine gehen (5 Min.).
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Mit der Rhätischen Bahn das Engadin abwärts bis zur Endhaltestelle in Scuol. Ab hier weiter mit dem Postauto in Richtung Martina bis zur Haltestelle Ramosch. Nun dem Weg hinauf ins Dorf (Bain Tschanüff) folgen, bis er auf die Zubringerstrasse (Poz) trifft. Diese überqueren und auf dem ausgeschilderten Weg weiter zur Burg gehen.
Wanderung zur Burg
k.A.
Öffnungszeiten
ohne Einschränkung
Eintrittspreise
kostenlos
Einschränkungen beim Fotografieren und Filmen
ohne Beschränkung
Gastronomie auf der Burg
keine
Öffentlicher Rastplatz
keiner
Übernachtungsmöglichkeit auf der Burg
keine
Zusatzinformation für Familien mit Kindern
keine
Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer
nicht möglich
Bilder
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Grundriss
Grundriss Ramosch (Tschanüff)
Quelle: weitgehend neu gezeichnet von O. Steimann, 2019 | auf Basis von: Clavadetscher, Otto P. / Meyer, Werner - Das Burgenbuch von Graubünden | Zürich/Schwäbisch Hall, 1984 | S. 211
Historie
Anfänge im 9. oder 10. Jhdt.:
Die Burg Ramosch steht auf einem Hügel westlich des gleichnamigen Dorfes, am instabilen Rand der tief eingeschnittenen Brancla-Schlucht. Vom Berghang ist das Areal durch einen natürlichen Graben getrennt, dessen Böschung burgseitig abgesteilt wurde. Auf diesem exponierten Platz entstand zu einem unbekannten Zeitpunkt eine Wehranlage, für die bis heute insgesamt 11 Bauphasen und -etappen nachgewiesen werden konnten.

Die Ursprünge der Burg liegen im Dunkeln, möglicherweise geht sie bis auf die Karolingerzeit oder noch weiter zurück. Einen Hinweis darauf gibt die im 12. Jhdt. niedergeschriebene Vita des heiligen Florinus, der wahrscheinlich im 7. Jhdt. in Ramosch lebte: In der Geschichte wird ein «castrum Canicias» in der Nähe des Dorfes erwähnt.
Dank Florinus wurde Ramosch ein Wallfahrtsort, der vom Königtum gefördert wurde, wie eine Schenkungsurkunde von Heinrich I. aus dem Jahr 930 beweist. Priester zu Ramosch war damals Hartbert, der später zum Bischof von Chur aufstieg und unter Otto I. zu einem wichtigen Machtfaktor in Rätien wurde. Unter ihm entstand um 958 der Plantaturm im Kloster Müstair, doch dürfte er als Bauherr auch auf der Burg Ramosch gewirkt haben. Ein im östlichen Bering eingeschlossenes Mauerstück, das der vierten Bauphase zugerechnet wird, konnte dendrochronologisch auf das Jahr 957 datiert werden.

Neubau der Burg im 13. Jhdt.:
Spätestens im 12. Jhdt. gehörte die Burg von Ramosch einer Adelsfamilie, die sich nach ihr benannte. Als ihr erster bekannter Vertreter ist der Priester Swiker I. im frühen 12. Jhdt. fassbar. Die Vertreter der nächsten Generation dienten den Herren von Tarasp, pflegten aber auch enge Beziehungen zum Bischof und Domkapitel von Chur und den Grafen von Tirol. Die Ramoscher besassen ihre Burg als Eigengut, hinzu kamen zahlreiche Güter und Lehen in der Umgebung. Letztere verwalteten sie wahrscheinlich von weiteren Wohnsitzen aus: Auch die Burg Serviezel bei Ramosch und die gleichnamige Wehranlage bei Martina werden ihnen zugeschrieben.

Gemäss dendrochronologischer Datierung erfolgte um 1254 unter Nannes II. ein weitgehender Neubau der Burg Ramosch. Er liess, unter Einbezug älterer Mauerteile, eine neue Kernburg mit Turm, Wohntrakt und Bering errichten. Der Turm in der nordöstlichen Ecke misst im Grundriss 8,3 x 8,3 Meter bei einer Mauerstärke von 2 Metern. Er verfügt auf seiner Südseite über einen Hocheingang im 4. Stockwerk. Wohl ebenfalls im 13. Jhdt. entstand die Schildmauer auf der Südwestseite, die zum Schutz des südseitigen Wohntrakts hochgezogen wurde.
Hintergrund dieses weitgehenden Neubaus der Anlage könnte eine längere Fehde er Ramoscher mit den Vögten von Matsch gewesen sein. Jene waren als Erben der Herren von Tarasp zum bestimmenden Geschlecht der Region augestiegen und bedrohten die Stellung der alteingesessenen Adligen. Die Ramoscher waren zu jener Zeit sehr darauf bedacht, ihre Eigenständigkeit zu verteidigen. 1256 erhielt Nannes II. von Meinrad I. von Tirol die Erlaubnis, im Engadin eine neue Burg zu errichten – aber nur unter strengen Bedingungen und als gräfliches Lehen. Der Ramoscher verzichtete. Auch sein Sohn Friedrich I. war in lange Fehden verwickelt und wurde 1275 getötet, als er einen Anschlag auf Egino III. von Matsch verüben wollte.

Brudermord und Niedergang der Herren von Ramosch im 14. Jhdt.:
Auch im frühen 14. Jhdt. konnten die Ramoscher ihre bedeutende Stellung weitgehend halten und pflegten unter anderem enge Beziehungen zu König Heinrich von Böhmen. 1317 kam es zu einer Besitzteilung: Johann II. erhielt die Stammburg mit Zubehör, sein Bruder Nannes III. die Burg Wiesberg am Eingang zum Paznauntal (Tirol). Noch gelang es den Brüdern, Eigenbesitz und Lehen grösstenteils zusammenzuhalten.
In der nächsten Generation aber häuften sich die Verkäufe. Zudem kam es in den frühen 1360er-Jahren unter den Söhnen von Johann II. zu einem heftigen Streit, den der österreichische Herzog schlichten musste. Der ausgehandelte Friede hielt aber nur kurz: 1368 ermordete Swiker IV. von Ramosch seinen Bruder Konrad II. und floh ausser Landes. Der Besitz des Mörders wurde vom Herzog eingezogen und an die Vögte von Matsch verpfändet. Swiker V. von Ramosch, Sohn des Mörders, protestierte und wurde entschädigt, doch musste er auf Ramosch verzichten. Er bewohnte fortan einen Turm in Latsch (Vintschgau) und verstarb um 1400 ohne Nachkommen.

Ab 1369 verfügte Ulrich IV. von Matsch über die ganze Burg und Herrschaft von Ramosch. Diese neue Machtverteilung im Unterengadin missfiel jedoch dem Churer Bischof, der eigene Ansprüche geltend machte. Die Herzöge von Österreich wurden 1393 als Schiedsrichter angerufen. Sie belehnten Ulrich IV. erneut mit Ramosch, verfügten jedoch, dass die Burg von drei bischöflichen und drei österreichischen Knechten zu bewachen sei. Der Bischof scheint dieses Urteil nicht akzeptiert zu haben: 1394 nahm er Ramosch ganz in Besitz. Daraufhin überfielen die Matscher die Burg im Folgejahr, wurden aber bald wieder vertrieben.

Ausbau und Zerstörung: 15. bis 18. Jhdt.:
Zwar erneuerte Österreich 1403 die Belehnung der Matscher, doch bleib Ramosch im Besitz des Bischofs, der hier nun seine Gefolgsleute aus der Region als Kastellane oder Pfandherren einsetzte. Im 15. Jhdt. und frühen 16. Jhdt. waren dies vor allem Vertreter der Familien von Planta und Mor, später auch die Vonzun.
1406 kam es zu einem Waffenstillstand: Österreich gestand Ramosch dem Bischof zu – dieser musste sich verpflichten, die Burg den Herzögen im Kriegsfall offen zu halten. Mit den Vögten von Matsch einigte man sich 1421, sie erhielten vom Bischof 2500 Mark als Abgeltung für die Burgen Ramosch und Greifenstein.

1468 besetzten die Gotteshausleute während einem Streit mit dem Bischof die Burg. Möglicherweise wurde sie auch im sogenannten Hennenkrieg von 1475 in Mitleidenschaft gezogen. Im Schwabenkrieg steckte der bischöfliche Pfandherr Anselm Mor die Burg am 25. März 1499 selbst in Brand, um sie nicht den herannahenden Truppen des Kaisers zu überlassen.
Diese vielen kriegerischen Ereignisse hinterliessen ihre Spuren: Die Anlage wurde im 15. Jhdt. mehrfach umgebaut und verstärkt. Es entstanden der heutige Südtrakt und der Bering der Vorburg mit Toranlage. Ausserdem wurde die südwestseitige Schildmauer massiv verstärkt, indem man sie verdoppelte. Auf diesen Ausbau geht wohl auch der heutige Burgname «Tschanüff» («casa nova» = neues Haus) zurück, der ab 1544 in den Quellen auftaucht.

Trotz aller Verstärkungen kam es zu weiteren erfolgreichen Angriffen. 1565 taten sich lokale Gegner der bischöflichen Herrschaft zusammen, drangen unter einem Vorwand in die Burg ein und legten Feuer. Ein Gericht zwang später die Aufständischen zur Finanzierung des Wiederaufbaus. Im August 1622 steckten während der sogenannten Bündner Wirren Truppen aus Glarus die Wehranlage ein weiteres Mal in Brand. Sie wurde notdürftig wiederhergestellt und weiterhin von bischöflichen Beamten genutzt. Doch weil im 18. Jhdt. manche Bauten gegen die Schlucht hin abzurutschen begannen, sah sich der Bischof um 1780 zur Aufgabe der Burg gezwungen. Nach Entfernung der Dächer zerfiel sie rasch.

Sanierung und Erforschung im 21. Jhdt.:
Lange Zeit stand die Ruine unbehelligt am Dorfrand. Düstere Legenden rankten sich um das Gemäuer, es zu betreten galt als gefährlich. Tatsächlich machten sich immer stärkere Schäden am verbleibenden Mauerwerk bemerkbar, insbesondere am Hauptturm. Die Familie Vonmoos, der die Ruine seit dem frühen 20. Jhdt. gehörte, entschloss sich 2001 zur Gründung einer Stiftung zur Erhaltung der Burg Ramosch.
Von 2008 bis 2018 wurde die Anlage in vier Etappen für rund 1,5 Millionen Franken saniert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gleichzeitig wurde das aufgehende Mauerwerk untersucht und teilweise datiert. Dadurch haben sich zahlreiche neue Erkenntnisse zur komplexen Baugeschichte der Burg ergeben.
Quellen: Zusammenfassung der unter Literatur angegebenen Dokumente, inkl. aktuelle Medienberichte
Literatur
  • Bitterli, Thomas - Schweizer Burgenführer, mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein | Basel/Berlin, 1995 | Nr. 321
  • Boxler, Heinrich - Die Burgnamengebung in der Nordostschweiz und in Graubünden [Studia Onomastica Helvetica, Bd. 2] | 2. Aufl. | Arbon, 1991 | S. 243
  • Clavadetscher, Otto P. / Meyer, Werner - Das Burgenbuch von Graubünden | Zürich/Schwäbisch Hall, 1984 | S. 210-216
  • Deplazes-Haefliger, Anna-Maria - Geschichte der Herren von Ramosch und Ramosch-Wiesberg (12. bis 14. Jahrhundert) [Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte, Bd. 27] | Chur, 2012
  • Farnum, Jerome H. - 20 Ausflüge zu romantischen Burgruinen in der Schweiz | Bern/Stuttgart, 1976 | S. 228-230
  • Hauswirth, Fritz - Burgen und Schlösser der Schweiz, Bd. 9: Graubünden 2 und Tessin | Kreuzlingen, 1973 | S. 73-75
  • Meyer, Werner (Red.) - Burgen der Schweiz, Bd. 3: Kanton Graubünden (deutschsprachiger und romanischer Teil) | Zürich, 1983 | S. 71-73
  • Meyer, Werner / Widmer, Eduard - Das grosse Burgenbuch der Schweiz | Zürich, 1977 | S. 68-69
  • Muraro, Vinzenz - Bischof Hartbert von Chur (951-971/72) und die Einbindung Churrätiens in die ottonische Reichspolitik [Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte, Bd. 21] | Chur, 2009 | S. 37-52
  • Poeschel, Erwin - Das Burgenbuch von Graubünden | Zürich/Leipzig, 1930 | S. 276-279
  • Poeschel, Erwin - Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. III: Räzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin | Basel, 1940 | S. 450
  • Von Castelmur, Anton - Die Burgen und Schlösser Graubündens, III. Teil: Viamala, Schams, Schyn, Albulatal, Oberhalbstein, Bergell, Engadin | Basel, 1944 | S. 82-87
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