PFALZBURG ZÜRICH
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© O Steimann, 2010
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Allgemeine Informationen
Der Hügel des Lindenhofs war seit der Zeit um 300 n.Chr. befestigt, als hier ein spätrömisches Kastell entstand. Dieses wurde auch im Frühmittelalter weiter genutzt und ausgebaut. Im 9. oder 10. Jhdt. entstand innerhalb seiner Mauern ein erstes Pfalzgebäude – vielleicht erbaut durch die Karolinger oder die Herzöge von Schwaben. Wahrscheinlich im frühen 11. Jhdt. wurde dieser Kompex wieder abgerissen und durch eine monumentale neue kaiserliche Pfalz ersetzt, die dem Hof bis 1055 regelmässig als Residenz- und Festort diente. Im späten 11. und im 12. Jhdt. wurde diese Anlage wahrscheinlich durch die Grafen von Lenzburg in zwei Etappen zu einer Burg mit zwei grossen Türmen ausgebaut, bevor sie im 13. Jhdt. zerstört wurde.
Informationen für Besucher
Geografische Lage (GPS)
WGS84: 47° 22’ 22.66“ N, 08° 32’ 28.13“ E
Höhe: 428 m ü. M
Topografische Karte/n
Schweizer Landeskarte: 683.270 / 247.490
Kontaktdaten
Amt für Städtebau | Baugeschichtliches Archiv | Neumarkt | CH-8001 Zürich
Tel: +41 (0)44 415 16 86
Warnhinweise / Besondere Hinweise zur Besichtigung
keine
Anfahrt mit dem PKW
Kostenpflichtige Parkplätze in der Zürcher Innenstadt (z.B. Parkhaus Urania). Der Lindenhof überragt am westlichen Limmatufer die Altstadt und ist von verschiedenen Seiten her zugänglich.
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Ab dem Hauptbahnhof Zürich der Bahnhofstrasse südwärts folgen, bis nach 350 Metern links der Rennweg abzweigt. Diesem ein kurzes Stück aufwärts folgen und dann links in die Fortunagasse einbiegen, die direkt zum Lindenhof führt.
Wanderung zur Burg
k.A.
Öffnungszeiten
Der Lindenhof ist jederzeit frei zugänglich. Einige Mauerreste von Kastell und Pfalzburg sind unterirdisch im Lindenhof-Keller zu besichtigen (Zugang vor dem Haus Lindenhof 4). Der Schlüssel kann nach vorheriger Reservation beim Baugeschichtlichen Archiv ausgeliehen werden (siehe unter Kontakt).
Eintrittspreise
kostenlos
Einschränkungen beim Fotografieren und Filmen
ohne Beschränkung
Gastronomie auf der Burg
keine
Öffentlicher Rastplatz
keiner
Übernachtungsmöglichkeit auf der Burg
keine
Zusatzinformation für Familien mit Kindern
kleiner Spielplatz auf dem Burgareal
Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer
Lindenhof: erschwert möglich (steile Rampen)
Lindenhof-Keller: nicht möglich
Bilder
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Grundriss
Grundriss Pfalzburg Zürich
Quelle: gezeichnet von O. Steimann, 2017
Historie
22 Meter erhebt sich der Lindenhofhügel über der Limmat und bildet bis heute das Zentrum der linksufrigen Zürcher Altstadt. Er war bereits in keltischer Zeit besiedelt, und als die Römer um 15. v.Chr. das nördliche Alpenvorland eroberten, errichteten sie hier wohl einen einfachen Stützpunkt. Im 2. und 3. Jhdt. n.Chr. war der Hügel als Teil der Siedlung «Turicum» unbefestigt und zivil besiedelt. Dies änderte sich in der späten Kaiserzeit. Wahrscheinlich unter Diokletian (284-305) oder Konstantin I. (306-337) wurde auf dem Lindenhof das «castrum» Zürich errichtet: Ein grosses Kastell mit einer bis zu 2,2 Meter starken Umfassungsmauer, die durch 10 Türme verstärkt wurde.

Nach der Aufgabe des Rheinlimes im frühen 5. Jhdt. begann die alamannische Einwanderung. Das Kastell wurde zu jener Zeit jedoch nicht zerstört, sondern weiter genutzt und durch kleine Anbauten erweitert. So entstand beispielsweise neben dem nördlichen Tor ein kleines Steinhaus mit zwei Räumen. Möglicherweise diente die weitläufige Anlage den alamannischen Herzögen zeitweise als Residenz.
Umstritten ist die nächste Bauphase auf dem Lindenhof. Im östlichen Teil des Areals konnte archäologisch die Fundamentgrube eines 16,4 Meter breiten und mindestens 40 Meter langen Gebäudekomplexes nachgewiesen werden. Es handelt sich um einen repräsentativen Bau mit ostseitigem Annex, der sich durchaus als Pfalz interpretieren lässt. Die Bauherrschaft wurde in der älteren Literatur jeweils König Ludwig d. Deutschen zugewiesen. Dieser Karolinger war es, der 853 die Zürcher Fraumünsterabtei stiftete, der nacheinander seine Töchter Hildegard und Bertha vorstanden.

Die Theorie einer karolingischen Pfalz steht allerdings auf wackligen Beinen, denn in den Schriftquellen lässt sich im ganzen 9. Jhdt. kein einziger Königsaufenthalt in Zürich nachweisen. Die Bauherrschaft der «karolingischen» Pfalz muss deshalb offen bleiben. In Frage käme allenfalls auch König Rudolf II. von Hochburgund, der sein Reich nach dem Aussterben der ostfränkischen Karolinger bis nach Zürich ausdehnte. Denkbar wäre aber auch ein Repräsentationsbau für Herzog Burchard II. von Schwaben, der Rudolf II. besiegte und 924 in Zürich einen Hoftag abhielt. Im 10. Jhdt. war Zürich mit Pfalz, Münze, Markt und Zoll ein wichtiges Herrschaftszentrum für die Herzöge von Schwaben.

Der erste sicher in Zürich nachweisbare König ist Otto I., der 952 auf dem Rückweg von Italien hier Halt machte. An diesem Datum wird in der älteren Literatur der Bau der zweiten Zürcher Pfalz festgemacht. Doch auch für diese Behauptung ist die Faktenlage äusserst dünn. Für Otto und seine gleichnamigen Nachfolger lässt sich nämlich kein weiterer Aufenthalt in der Limmatstadt nachweisen, der Bau einer riesigen Residenz wäre somit als kolossale Fehlplanung einzustufen.
Im 11. Jhdt. änderte sich jedoch die Bedeutung Zürichs für den Königshof. Insbesondere, nachdem Rudolf III. von Hochburgund Kaiser Heinrich II. sein Erbe zugesichert hatte. Zürich war nun der ideale Ort, um für das Reich nicht nur schwäbische, sondern auch italienische und burgundische Angelegenheiten zu regeln. Heinrich II. besuchte Zürich 1004 und 1018 – und beim zweiten Aufenthalt blieb er gemäss den Quellen gleich für fünf Wochen. Es ist davon auszugehen, dass dem Hof spätestens damals eine grosse Pfalz zur Verfügung stand.

Diese Anlage zählte im 11. Jhdt. zu den grössten Pfalzen des deutsch-römischen Reichs. Ihr Hauptbau war 13 Meter breit und mindestens 75 Meter lang. Den Kern bildete die Aula: der Versammlungssaal mit Innenmassen von 31,2 x 11,4 Metern. An der Nordwestecke war dem Hauptbau die Pfalzkapelle angegliedert, die auf den Mauerstumpf eines römischen Wachturms gebaut wurde. Der gegen die Limmat gerichtete Osttrakt verfügte über eine aufwendig gestaltete Fassade und mindestens einen grossen Kamin – möglicherweise befanden sich hier die Wohnräume. Neue Befestigungsanlagen aus dieser Bauphase wurden keine gefunden – die alten römischen Mauern erfüllten wohl nach wie vor eine gewisse fortifikatorische Funktion.
Unter den beiden ersten salischen Kaisern, Konrad II. und Heinrich III., erlebte die Pfalz auf dem Lindenhof ihre Glanzzeit. Von 1025 bis 1055 können neun Aufenthalte des Hofs sicher nachgewiesen werden. Zu Weihnachten 1055 wurde in der Pfalz Zürich der Thronfolger Heinrich IV. mit Bertha von Turin verlobt.

Im späten 11. Jhdt. veränderte sich die politische Konstellation erneut und Zürich verschwand wieder aus dem königlichen Itinerar. Nur 1077 versuchte Herzog Rudolf von Rheinfelden als Gegenkönig hier Unterstützung für den Kampf gegen Heinrich IV. zu finden, hinterliess aber keine bleibenden Spuren. In jener Zeit waren es die Grafen von Lenzburg, die als Vögte über die Frau- und die Grossmünsterabtei für die Krone wichtige Güter und Rechte verwalteten. Dies änderte sich auch nicht, nachdem 1098 die Reichsvogtei Zürich aus dem Herzogtum Schwaben herausgelöst und den Zähringern übertragen wurde.
Sehr wahrscheinlich waren es die Lenzburger, welche auf der Pfalz für die nächste Bauetappe verantwortlich waren: Im südlichen und im nördlichen Nebenraum der Aula wurde je ein Turm errichtet. Der Nordturm mass im Grundriss 6,5 x 7,3 Meter, der Südturm etwa 6,5 Meter im Quadrat. Ob gleichzeitig weitere Veränderungen erfolgten, ist unklar.

Auch im 12. Jhdt. unterstand die Anlage auf dem Lindenhof den Lenzburgern, wie verschiedene Urkunden belegen, welche die Grafen hier ausstellten. Deshalb wird vermutet, dass auch die letzte Ausbauetappe ihnen zuzuschreiben ist, bei der die Pfalz in eine wehrhafte Burganlage umgestaltet wurde. An die beiden Bergfriede wurden nun zwei viel mächtigere Türme mit 2,3 Meter dicken Grundmauern angefügt. Viele ältere Türöffnungen wurden zugemauert, die Pfalzkappe aufgehoben und in ein Bollwerk verwandelt. Die gesamte Westseite wurde durch zwei neue Gräben geschützt, die wahrscheinlich von einer Brücke überspannt wurden.
Was der Anlass für den Umbau zur Pfalzburg war, ist ungeklärt. Möglicherweise hängt er mit dem Vorstoss von Herzog Friedrich III. von Schwaben (dem späteren Kaiser Friedrich I. Barbarossa) 1146 nach Zürich zusammen. Vielleicht aber auch mit dem Aussterben der Lenzburger (1173), als die Herzöge von Zähringen die volle Gewalt über die Reichsvogtei erlangten. Jedenfalls galt die Anlage auch im späteren 12. Jhdt. als Königspfalz – noch 1172 wurde eine Zürcher Urkunde «in palatio regis» ausgestellt.

Die Datierung des Untergangs der Pfalzburg ist ebenfalls umstritten. Am häufigsten wird dafür das Aussterben der Zähringer und die Erhebung Zürichs zur reichsfreien Stadt (1218) genannt. Allerdings kam es 1225 und 1227 unter Heinrich (VII.) wieder zu Besuchen des Königshofs in der Limmatstadt. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Zürcher die Pfalzburg erst während dem Interregnum schleiften (nach 1254). Interessanterweise belegte der letzte Staufer Konradin, als er 1262 das Herzogtum Schwaben beanspruchte, Zürich mit der Reichsacht. Grund dafür könnte die Zerstörung der Pfalz gewesen sein.
Im Spätmittelalter wurde der Lindenhof planiert, die Steine der Pfalzburg wohl für den Bau der Stadtbefestigung verwendet. Der Platz wurde noch einige Zeit als Friedhof genutzt, bevor er im 15. Jhdt. sein heutiges Aussehen erhielt und mit Linden bepflanzt wurde. Grosse Teile der aktuellen Umfassungsmauer gehen auf die 1440er-Jahre zurück, als der Lindenhof im Alten Zürichkrieg als Geschützstellung diente. Die Pfalz hingegen geriet in Vergessenheit. Ihre Wiederentdeckung erfolgte erst, als 1937/38 der Lindenhof archäologisch untersucht wurde. Seither konnten in zahlreichen Nachgrabungen weitere Informationen zur Baugeschichte gewonnen werden.
Quellen: Zusammenfassung der unter Literatur angegebenen Dokumente, inkl. Infotafeln im Lindenhof-Keller
Literatur
  • Barraud Wiener, Christine / Jezler, Peter - Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, neue Ausgabe, Bd. I: Die Stadt Zürich I | Bern, 1999 | S. 14-32
  • Beck, Marcel - Die mittelalterliche Pfalz auf dem Lindenhof in Zürich | In: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte, 29. Jhg./Nr. 1 | Zürich, 1949 | S. 70-76
  • Binding, Günther - Deutsche Königspfalzen: Von Karl dem Grossen bis Friederich II. (765-1240) | Darmstadt, 1996 | S. 131-137
  • Erdmann, Wolfgang - Zur archäologischen und baugeschichtlichen Erforschung der Pfalzen im Bodenseegebiet: Bodman, Konstanz, Reichenau, Zürich | In: Max-Planck-Institut für Geschichte (Hg.) - Deutsche Königspfalzen: Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, Bd 3 | Göttingen, 1979 | S. 136-210
  • Escher, Konrad - Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Bd. IV: Die Stadt Zürich, erster Teil | Basel, 1939 | S. 380-382
  • Kaiser, Reinhold - Castrum und Pfalz in Zürich | In: Fenske, Lutz (Hg.) - Deutsche Königspfalzen, Bd. 4 | Göttingen, 1996 | S. 84-109
  • Motschi, Andreas - Palatium Imperiale. Neue Befunde zur jüngeren Königspfalz auf dem Lindenhof in Zürich | In: Mittelalter: Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins, 16. Jhg./Nr. 3 | Basel, 2011 | S. 65-87
  • Peyer, Hans Conrad - Zürich im Früh- und Hochmittelalter | In: Ders. et al. - Zürich von der Urzeit zum Mittelalter | Zürich, 1971 | S. 163-227
  • Stauber, Emil - Die Burgen und adeligen Geschlechter der Bezirke Zürich, Affoltern und Horgen | Basel, 1955 | S. 1-4
  • Steimann, Oliver - Castrum, villa, palatium: Pfalzen und andere Aufenthaltsorte der Könige des Früh- und Hochmittelalters im Gebiet der heutigen Schweiz | Unveröff. Liz. Univ. Zürich | Zürich, 2000 | S. 13-48
  • Vogt, Emil - Der Lindenhof in Zürich: Zwölf Jahrhunderte Stadtgeschichte auf Grund der Ausgrabungen 1937/38 | Zürich, 1948
  • Zeller-Werdmüller, Heinrich - Zürcherische Burgen | In: Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 48./49. Jhrg. | Zürich, 1894-1895 | S. 389-390
  • Zotz, Thomas - Turegum nobilissimum Sueviae oppidum: Zürich als salischer Pfalzort auf karolingischer Basis | In: Althoff, Gerd / Meier, Christel - Frühmittelalterliche Studien [Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster], Bd. 36 | Berlin/New York, 2002 | S. 337-354
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