GROTTENBURG MALVAGLIA (CASA DEI PAGANI)
 Weltweit | Europa | Schweiz | Kanton Tessin | Distretto di Blenio | Serravalle

Klicken Sie in das Bild, um es in voller Grösse ansehen zu können!
Allgemeine Informationen
Heute unzugängliche Ruine einer Grottenburg in einer hohen Felswand über dem Dorf Malvaglia. Die archäologisch gut untersuchte Anlage wurde im 11. Jhdt. gegründet und war nach einem Unterbruch bis in die Zeit um 1400 bewohnt. Vom Tal aus gut sichtbar ist vor allem die westseitige Frontmauer des Wohntrakts mit dem Tor. Von der Burg stammen zahlreiche interessante Fundgegenstände, darunter auch eine auf 1308 datierte Urkunde.
Informationen für Besucher
Geografische Lage (GPS)
WGS84: 46° 24’ 39.20“ N, 08° 59’ 09.10“ E
Höhe: 515 m ü. M
Topografische Karte/n
Schweizer Landeskarte: 718.960 / 141.120
Kontaktdaten
k.A.
Warnhinweise / Besondere Hinweise zur Besichtigung
Es gibt keinen Zugang zur Burg. Die Ruine ist nur für geübte Felskletterer mit entsprechender Ausrüstung erreichbar.
Anfahrt mit dem PKW
Die Gotthardautobahn (A2) bei der Ausfahrt Biasca verlassen und anschliessend der Via Brughei in nördlicher Richtung ins Bleniotal hinein folgen. Talaufwärts bis nach Malvaglia fahren (östlicher Teil der Gemeinde Serravalle). Die Ruine befindet sich in einer steilen Felswand östlich über dem Ortskern, am Eingang zur Orino-Schlucht. Von der Hauptstrasse her sind die Mauerreste gut zu erkennen. Etwas näher an die Burg gelangt man vom Weiler Pianèzza, der vom Dorf über die Via Val Malvaglia erreichbar ist.
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Vom Bahnhof Biasca mit der Buslinie 131 (in Richtung Olivone) bis zur Haltestelle Malvaglia, Rongie fahren. Von diesem Quartier bietet sich ein guter Blick auf die Ruine.
Wanderung zur Burg
k.A.
Öffnungszeiten
unzugänglich
Eintrittspreise
-
Einschränkungen beim Fotografieren und Filmen
ohne Beschränkung
Gastronomie auf der Burg
keine
Öffentlicher Rastplatz
keiner
Übernachtungsmöglichkeit auf der Burg
keine
Zusatzinformation für Familien mit Kindern
keine
Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer
nicht möglich
Bilder
Klicken Sie in das jeweilige Bild, um es in voller Grösse ansehen zu können!
Grundriss
Grundriss Malvaglia
Quelle: Högl, Lukas - Die casa dei pagani von Malvaglia | In: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins, 51. Jhg./Nr. 3 | Basel, 1978 | S. 140 | überarbeitet von O.Steimann, 2022
Historie
Eine Exponierte Burganlage aus dem 11. Jhdt.
Im an Grottenburgen reichen Bleniotal zählt die Casa dei pagani bei Malvaglia zu den interessantesten Anlagen. Die Ruine befindet sich in etwa 90 Metern Höhe in einer überhängenden Felswand über dem Dorf. Von 1975 bis 1977 ist sie gründlich untersucht und dokumentiert worden. Dabei wurden zahlreiche baugeschichtliche Details und Fundstücke entdeckt. Wie bei der Grottenburg Dongio I konnten auch hier die im Tal verbreiteten Geschichten, diese Behausungen hätten einst Hexen, Leprakranken oder den letzten Heiden als Zuflucht gedient, klar widerlegt werden.
Die Untersuchung kam zum Schluss, dass die Grottenburg von Malvaglia im 11. Jhdt. durch Angehörige der lokalen Führungsschicht erbaut worden war. In dieser ersten Bauphase hatte die Anlage mit Sichtverbindung zur Burg Serravalle eindeutig wehrhaften Charakter. Zugänglich war sie vom Weiler Pianèzza her über ein 10 Meter langes, sehr schmales Felsband. Nach der Überquerung einer etwa 4 Meter breiten Felsrinne auf einem Holzsteg erreichte man ein erstes Plateau. Von hier gelangte man über eine kurze Felspassage zum Hauptbau mit dem Zugangstor.

Die bauliche Ausgestaltung
Der 15 Meter lange und etwa 3 Meter breite Wohntrakt stand auf einem Felsvorsprung, der durch eine Stützmauer und den Auftrag eines Mörtelbodens verbreitert worden war. Zwei noch erhaltene Abflussrinnen sorgten für die Entwässerung dieser Fläche. Aus festem Mauerwerk bestand offenbar nur die Frontmauer auf der Zugangsseite. Dahinter schloss ein dreistöckiger Holzbau an. Im talseitigen Mauerwinkel neben dem Eingang befand sich ausserdem eine Feuerstelle. Unklar ist die einstige Dachkonstruktion.
Hinter dem Hauptbau führte ein Holzsteg zu weiteren Mauern. Offenbar befand sich hier ein kleines Podest, das ostseitig an einer Traversenmauer endete, die einen allfälligen Angriff von der Schlucht her abhalten sollte. Gemäss mündlicher Überlieferung soll sich an dieser Stelle früher eine kleine Pforte befunden haben – wahrscheinlich konnten die Bewohner im Notfall auf diese Seite hin fliehen.

Neu- und Umbau im 13. Jhdt.
Die Grottenburg scheint im späten 12. Jhdt. durch ein Feuer zerstört und aufgegeben worden zu sein. Der Wiederaufbau folgte aber bereits wenige Jahre später im frühen 13. Jhdt. In dieser zweiten Bauphase wurde der gemauerte Sockel des Wohntrakts auf der Ostseite leicht verkürzt. Im Westen wurde die Frontmauer zwar ausgebessert und neu verputzt, aber nicht mehr bis auf die ursprüngliche Höhe aufgemauert. Damit war die Burg aber Angriffen mit Wurfgeschossen von einem benachbarten Felsvorsprung her ausgeliefert. Diese Minderung der Verteidigungsfähigkeit war offenbar gewollt. Denn gleichzeitig erhielt das Zugangstor eine neue Schwelle, dank der die Tür von aussen leicht geöffnet oder sogar entfernt werden konnte.

Ein aussergewöhnlicher Fundkomplex
Die Funde von der Burg stammen grösstenteils aus der zweiten Besiedlungsphase, die bis in die Zeit um 1400 andauerte. Da sich praktisch die gesamte Anlage unter überhängendem Fels befindet, blieben sie sehr gut erhalten. Zu den aussergewöhnlichsten Objekten zählen Reste von Schriftstücken aus Pergament, die stellenweise sogar noch entziffert werden konnten. Bei einem davon handelt es sich um eine notarielle Urkunde, ausgestellt am 1. September 1308 in der Kirche St. Martin in Malvaglia. Zum Fundgut zählen aber auch Scherben von Speckstein- und Tongefässen, Spinnwirteln, Wetz- und Schleifsteine, Glasperlen, Pfeileisen, Schlüssel, Schnallen, Metallbeschläge von Truhen, diverse Werkzeuge, Holz- und Hufnägel, Ringe, eine Waage, Münzen, Bestandteile von Möbeln, gedrechselte Holzschalen, Fragmente von Fässern, geflochtenen Körben und sogar von einer Mausefalle. Geborgen wurden überdies Ledersohlen, Teile von Baumwoll-, Leinen- und Wollstoffen, Fragmente von Schnüren und Seilen und hunderte von Haus- und Wildtierknochen.
Quellen: Zusammenfassung der unter Literatur angegebenen Dokumente
Literatur
  • Bitterli, Thomas - Schweizer Burgenführer, mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein | Basel/Berlin, 1995 | Nr. 631
  • Högl, Lukas - Burgen im Fels [Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 12] | Olten, 1986 | S. 23-28 und S. 77-105
  • Högl, Lukas - Die casa dei pagani von Malvaglia | In: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins, 51. Jhg./Nr. 3 | Basel, 1978 | S. 137-149
  • Meyer, Werner (Red.) - Burgen der Schweiz, Bd. 2: Kantone Tessin und Graubünden (italienischsprachiger Teil) | Zürich, 1982 | S. 44-53
  • Meyer, Werner - Tessiner Grottenburgen | In: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins, 41. Jhg./Nr. 3 | Basel, 1968 | S. 258-263
  • Rahn, Johann Rudolf - Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler, Canton Tessin | In: Anzeiger für schweizerische Alterthumskunde, 25. Jhg./Nr. 2 | Zürich, 1892 | S. 81-82
Webseiten mit weiterführenden Informationen
Sonstiges
  • Burgsage: Der heisse Stein
    Der heisse Stein

    «Eine alte Frau, die Pagana (Paghèna), wohl die letzte des Volkes der Pagani, lebte oben in der Casa dei pagani. Sie kam oft herunter zu den Leuten von Pianezza, um sich in ihrem Hause am Feuer zu wärmen. Den Knaben waren diese Besuche unheimlich oder lästig. Deshalb legten sie einmal den Stein, auf dem die Pagana zu sitzen pflegte, bevor sie kam ins Feuer. Als sich die Pagana auf den so erhitzten Stein niedersetzte, verbrannte sie sich. Seither kam sie nie mehr.»

    Quelle: Högl, Lukas - Burgen im Fels [Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 12] | Olten, 1986 | S. 26
zurück nach oben | zurück zur letzten besuchten Seite Download diese Seite als PDF-Datei
Alle Angaben ohne Gewähr! | Die Bilder auf dieser Webseite unterliegen dem Urheberrecht! | Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.06.2022 [OS]