CASTEL GRANDE
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Allgemeine Informationen
Das Castel Grande ist der älteste und historisch bedeutendste Teil des Drei-Burgen-Systems von Bellinzona (UNESCO-Weltkulturerbe). Zusammen mit Montebello, Sasso Corbaro und der so genannten Murata bildete die Anlage eine mächtige Talsperre an einem Punkt, wo zahlreiche alpenquerende Reisewege zusammenkommen. Der Burgfelsen des Castel Grande war bereits in der Antike befestigt und hatte auch für die mittelalterlichen deutschen Könige und Kaiser zentrale strategische Bedeutung. Trotz diversen Umgestaltungen ist die Burg noch immer eine der imposantesten der Schweiz. Heute beherbergt sie ein Museum, das unter anderem ihre Baugeschichte aufzeigt.
Informationen für Besucher
Geografische Lage (GPS)
WGS84: 46° 11' 34.77" N, 09° 01' 20.70" E
Höhe: 275 m ü. M
Topografische Karte/n
Schweizer Landeskarte: 722.260 / 116.960
Kontaktdaten
Museo di Castelgrande | Monte San Michele | CH-6500 Bellinzona
Tel: +41 (0)91 825 81 45
Warnhinweise / Besondere Hinweise zur Besichtigung
keine
Anfahrt mit dem PKW
Bellinzona ist die Hauptstadt des Kantons Tessin und liegt an der Nord-Süd-Route (Autobahn A2) unweit südlich des Zusammenschlusses von Leventina und Misox. Das Castel Grande steht auf einer felsigen Anhöhe inmitten der Stadt.
Anfahrt mit Bus oder Bahn
Vom Bahnhof Bellinzona zu Fuss in Richtung Zentrum und von hier über die ausgeschilderten Wege hinauf auf den Burgfelsen. Alternative: Lift ab Piazza del Sole.
Wanderung zur Burg
Der Rundwanderweg Le colline fortificate di Bellinzona führt nahe an allen drei Burgen von Bellinzona vorbei.
Öffnungszeiten
Burg (innerer Hof):
ganzjährig am Montag 10.00 - 18.00 Uhr, Dienstag bis Sonntag 09.00 - 22.00 Uhr

Museum:
Mitte November bis März täglich 10.30 - 16.00 Uhr
April bis Mitte November täglich 10.00 - 18.00 Uhr
(Stand 2022)
Eintrittspreise
Zugang zur Hauptburg kostenlos.

Eintritt Museum:
Erwachsene: 5 CHF
Kinder (6 bis 16 Jahre): 3 CHF
(Stand 2022)
Einschränkungen beim Fotografieren und Filmen
für Aussenaufnahmen ohne Beschränkung
Gastronomie auf der Burg
Restaurant im ehem. Zeughaus:
www.castelgrande.ch
Öffentlicher Rastplatz
Picknickplatz auf dem Burgareal
Übernachtungsmöglichkeit auf der Burg
keine
Zusatzinformation für Familien mit Kindern
keine
Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer
Von der Piazza del Sole fährt ein Lift zur Burg hinauf.
Bilder
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Grundriss
Grundriss Castel Grande
Quelle: Meyer, Werner (Red.) - Burgen der Schweiz, Bd. 2: Kantone Tessin und Graubünden (italienischsprachiger Teil) | Zürich, 1982 | S. 11 | überarbeitet und ergänzt von O. Steimann, 2008
Historie
Das römerzeitliche Kastell
Als «Schlüssel und Tor zu Italien» hat man Bellinzona im 15. Jhdt. bezeichnet. Die Lage an einer Talenge am Weg zu sechs wichtigen Alpenpässen rechtfertigt diese Beschreibung tatsächlich. Beherrscht wird der Ort vom felsigen Burghügel des Castel Grande. Sein allseits natürlich geschütztes Plateau misst ca. 150 x 200 Meter. Erste Siedlungsspuren stammen aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. (Jungsteinzeit). Auch in der Bronze- und Eisenzeit war der spätere Burgberg bewohnt.
In den Jahren 16/15 v.Chr. wurde Rätien durch die Römer erobert. Damals legte man auf dem Hügel ein erstes Kastell an, dessen Umfassungsmauer archäologisch nachgewiesen werden konnte. Mit der Verschiebung der Reichsgrenze nach Norden verlor Bellinzona vorübergehend an Bedeutung, doch im 4. Jhdt. erfolgte ein zweiter Kastellbau. Nun wurde der Stützpunkt in die innerste Verteidigungslinie des Imperiums einbezogen - auf dem Burghügel entstand eine weitläufige Festung, die eine ganze römische Kohorte aufnehmen konnte. Als 457 n.Chr. eine Schar von 900 Alamannen nach Italien eindringen wollte, konnten die Truppen des späteren Kaisers Maiorianus sie bei Bellinzona zurückschlagen.

Die Burg im Frühmittelalter
Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Imperiums wurde das Kastell zunächst von den Ostgoten, dann von den Byzantinern und schliesslich von den Langobarden übernommen und weiter ausgebaut. Wie die Chronik des Gregor von Tours berichtet, konnte die langobardische Burgbesatzung 590 n.Chr. einen Angriff der Franken abwehren.
Im Verlaufe des Frühmittelalters entstand - wohl aus dem Versorgungsbezirk des Kastells - die Grafschaft Bellinzona. Die zentrale Pfarrkirche des Comitats, San Pietro, stand vermutlich im südlichen Teil der Anlage. Die ursprünglich der obersten Reichsgewalt gehörende Festung wurde nun mehr und mehr in private Parzellen unterteilt, bis der Krone nur noch der «Ridotto» genannte Bezirk im Zentrum verblieb. Um 800 muss ein Brand im Südteil des Castel Grande gewütet haben. Ein Zusammenhang mit der fränkischen Eroberung Italiens ist aber nicht erwiesen. Aus der Zeit um 900 konnte im Bereich des späteren Südtrakts ein Turmbau archäologisch erfasst werden. Die damalige Verstärkung der Burg lässt sich wohl mit den ständigen Kämpfen um die italienische Krone und mit dem Auftauchen der räuberischen Sarazenen in den südlichen Alpentälern erklären.

Ottonischen Reichsburg, Übergang an Como
Mit dem Beginn der aktiven Italienpolitik der Ottonen wurde Bellinzona erneut ein strategisch wichtiger Punkt, was baulich in der Errichtung einer neuen Ringmauer Ausdruck fand. Die deutschen Herrscher nutzten nun vermehrt den Lukmanier und den San Bernardino zur Überquerung der Alpen. Bellinzona scheint Kaiser Otto III. dem ihm ergebenen Bistum Como übertragen zu haben. Jedenfalls wurde diese Übertragung 1002 durch den Markgrafen Arduin von Ivrea anerkannt, nachdem er sich zum König von Italien ausrufen lassen hatte. Nach Arduins Niederlage bestätigte auch Kaiser Heinrich II. die Rechtsansprüche des Bischofs.
Im 11. und 12. Jhdt. errichtete der comaskische Adel mehrere Türme und Steinhäuser auf dem Burgareal. Dem Bischof verblieb der Ridotto, der wohl mit dem 1195 erstmals erwähnten bischöflichen Palast gleichzusetzen ist. Das Geviert enthält Mauerwerk, das bis ins 10. Jhdt. zurückreicht. In seinem Innern wurde im 13. Jhdt. der 27 Meter hohe Torre Bianca (Weisser Turm) errichtet – wohl um den Palast dem Geschmack der Zeit anzupassen. Der noch einen Meter höhere Torre Nera (Schwarzer Turm), der westlich des Ridotto steht, ist hingegen erst im frühen 14. Jhdt. entstanden.

Das Castel Grande in staufischer Zeit
Kaiser Friedrich I. Barbarossa reiste auf seinen Italienzügen oft über Bellinzona. In den zeitgenössischen Chroniken wird erwähnt, dass er hier im Mai 1176 Truppen für seinen Zug gegen Mailand zusammengezogen hat. 1180 unterstellte er den Ort wieder direkt der Reichsgewalt, bis ihn Heinrich VI. 1192 der staufertreuen Komune von Como übertrug. Später wechselte Como zwar zu den papsttreuen Guelfen, bekannte sich ab 1239 aber zu Friedrich II. Der Kaiser versah das Castel Grande umgehend mit einer Besatzung und liess es verstärken. Trotzdem gelang es den Guelfen unter Simon von Orello, die Burg 1242 nach harten Kämpfen zu erobern. Der Konflikt zwischen den beiden Parteien wurde noch lange fortgesetzt: 1284, 1292 und 1303 wurde Bellinzona jeweils belagert und erobert. In jenen Jahrzehnten setzte sich die comasker Familie der Rusca hier fest und gründete eine zweite Burg, das Castello di Montebello. Zwar gelang es dem Bischof von Como, 1310 von Kaiser Heinrich VII. seine früheren Ansprüche noch einmal bestätigt zu bekommen. Doch 1340 fiel Bellinzona nach längerer Belagerung endgültig an Mailand.

Ausbau unter den Herzögen von Mailand
1396 erhielt Gian Galeazzo Visconti von Mailand von König Wenzel den Herzogstitel und wurde mit der Grafschaft Bellinzona belehnt. Doch bereits 1403, nur ein Jahr nach seinem Tod, gelang es dem Freiherrn Albert von Sax-Misox, Bellinzona zu erobern. Seine Erben, von Mailand bedrängt, verkauften die Herrschaft 1419 an die Eidgenossen. Doch deren Besatzung wurde 1422 durch die Mailänder aus den Bellenzer Burgen vertrieben.
Das ganze 15. Jhdt. hindurch versuchten eidgenössische Truppen immer wieder, die Talsperre und ihre Burgen zurück zu erobern. Sie scheiterten sowohl 1422 als auch 1441 und 1478. Die Herzöge von Mailand reagierten, indem sie Bellinzona und seine Burgen zu einem mächtigen militärischen Sperrriegel ausbauten. Die dichte mittelalterliche Innenbebauung des Castel Grande wurde beseitigt, um drei grosse Höfe zu schaffen, wo Truppen im Bedarfsfall in Zeltlagern untergebracht werden konnten. Manche der Bauarbeiten wurden offenbar in grosser Hast ausgeführt – entsprechend rasch wurden die Mauern wieder baufällig.

Übergang an die Eidgenossenschaft
1499 liess König Ludwig XII. von Frankreich Bellinzona durch seine Soldaten besetzen. Die lokale Bevölkerung widersetzte sich, bekam nach Ludwigs endgültigen Sieg über Mailand jedoch Angst vor einer Vergeltung. Deshalb unterwarfen sich die Bellenzer 1500 einer durchziehenden Schar von innerschweizer Landsknechten. 1503 anerkannte Ludwig XII. dies, und Kaiser Maximilian stimmte der Übertragung des alten Reichslehens an Uri, Schwyz und Nidwalden 1508 ebenfalls zu. Nun teilten die drei Orte die drei Burgen unter sich auf - das Castel Grande wurde dem Landvogt von Uri vorbehalten, weshalb es fortan auch «Castello d'Uri» genannt wurde.
Nach der Auflösung der Alten Eidgenossenschaft fiel die Burg 1803 dem Kanton Tessin zu. Dieser nutzte sie ab 1813 als Zeughaus und später auch als Gefängnis. Ein Versuch, die Anlage zu verkaufen, scheiterte 1881 am mangelnden Interesse der Käufer. Den Zerfall der stolzen Burg begann man bald nach 1900 durch Sanierungen aufzuhalten. Zwischen 1920 und 1955 wurde die Anlage umfassend restauriert. Eine archäologische Untersuchung des Südtrakts erfolgte 1967. Weitere Umgestaltungen, Modernisierungen und Mauersanierungen wurden 1992 abgeschlossen.
Quellen: Zusammenfassung der unter Literatur angegebenen Dokumente
Literatur
  • Berger, Ric - Burgen und Schlösser in der Schweiz, Bd. 1 | Neuenburg, o.J. | S. 118-120
  • Bitterli, Thomas - Schweizer Burgenführer, mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein | Basel/Berlin, 1995 | Nr. 602
  • Clemente, Emilio - Castelli e torri della Svizzera Italiana | In: Bollettino storico della Svizzera Italiana, Bd. 86/Heft 1 | Bellinzona, 1974 | S. 15
  • Fusco, Vincenzo - Guida ai castelli della Svizzera Italiana | Viganello, 1988 | S. 14-17
  • Fusco, Vincenzo - Guida illustrata ai castelli, torri e rovine della Svizzera Italiana | Lugano, 1981 | S. 43-48
  • Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.) - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 2 | Neue Ausg. | Bern, 2005 | S. 464
  • Hauswirth, Fritz - Burgen und Schlösser der Schweiz, Bd. 9: Graubünden 2 und Tessin | Kreuzlingen, 1973 | S. 98-102
  • Lipski, Eli / Locher, André - Schlösser der Schweiz | Bern, 2013 | S. 290
  • Meyer, Werner (Red.) - Burgen der Schweiz, Bd. 2: Kantone Tessin und Graubünden (italienischsprachiger Teil) | Zürich, 1982 | S. 10-25
  • Meyer, Werner - Das Castel Grande in Bellinzona: Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen von 1967 [Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 3] | Olten, 1976
  • Meyer, Werner / Widmer, Eduard - Das grosse Burgenbuch der Schweiz | Zürich, 1977 | S. 80-89
  • Meyer, Werner - Die Burgen von Bellinzona [Schweizerische Kunstführer GSK, Nr. 551/552] | Bern, 1994
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